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Noch stehen die beiden Festungstore nach Nord und Süd in den Wällen.
Diese bilden eine grüne Wand vor allen Stubenfenstern, die im Hause den freien Atem raubt, wenn man klein
und ängstlich ist, wie es Josefa die ersten Jahre ihres Lebens war. Ihre Blicke hingen dumm an dieser
Wand — selbst in Hof und Garten immer dies beklemmende Hemmnis vor den Augen! Es muß ja da sein
— man weiß nicht, daß es anders gewesen ist und anders sein könnte, aber es ist trübselig, es
schafft erstaunte, bange Kinderaugen, wie sie die kleine Josefa hatte, bis sie anfing zu klettern —
und dann waren ihre Spielplätze oben in den Kanonenlöchern.
Das ist nun ein neues Leben. Das Kinderauge gewöhnt sich an weite Flächen
und an die lange Chaussee mit den gelben Postkutschen. Auch gehören zwei Baumalleen hierher, die Birkenallee,
welche vom Tore des Dreckschlosses zur Johnniskapelle führt — und die Johannisallee, mit den altersmorschen
Kastanienbäumen und den Stationshäuschen des Heiligen, dessen Standbild unter den Kastanien vor der
Kapelle steht. Wohl gebührte ihm ein Gedenkplatz, denn er hat viel gelitten, der Schutzpatron dieses
Landes, und er ist seltsam und gut.
Der heilige Johannes von Nepomuk trägt hier seinen roten Mantel und das
blaue Unterkleid und sein Kruzifix im Arm, solange die ältesten Leute denken können. Josefa Arnheim kann
sich nicht vorstellen, daß es den Platz vor der Kapelle ohne Johannes geben könnte. Er sieht die beiden
Alleen und die gerade Chaussee hinunter, er sah die Türme des Dreckschlosses hinter den Wällen schwinden
und erblickt unverändert die Umrisse der kleinen Stadt hinter den Wiesen. Sein Auge weilt freundlich auf
dem Pfarrkirchenturme und auf der Klosterkirche und er muß
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